Donnerstag, 15. August 2013

Kirche und Kunst

Sankt Peter an der Sperr ist eine ehemalige Dominikanerkirche. Ehemalig bedeutet in diesem Fall, dass seit über 200 Jahren keinerlei religiösen Festivitäten oder dergleichen stattfanden - die Kirche wurde nämlich von Josef II enteignet und profaniert. Seit etwa Mitte der 60er ist St. Peter an der Sperr Teil des Wiener Neustädter Stadtmuseums und Ausstellungsort.

Ausgestellt haben hier unter anderen Erwin Wurm, Michael Haas, Wolfgang Hollegha, gezeigt wurde Jakob Gasteigers  Installation Volumen:


Wolfgang Stifter war ebenfalls da:


Insgesamt ist St. Peter an der Sperr also seit Jahrzehnten ein Ort für Kunst und Kultur, für Ausstellungen und dergleichen. Das Ganze übrigens bei freiem Eintritt!

Am 22. August wird die nächste Ausstellung eröffnet. Deborah Sengl wird bis 29. September ihre Arbeiten vorstellen. In ihrem Werk beschäftigt sie sich unter anderem mit der Kirche, so zB im Zyklus "Selig sind die Unwissenden" in dem sie die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche thematisiert:
In der im Hinblick auf diese Ausstellung begonnenen Serie “Selig sind die Unwissenden“ setzt sich die Künstlerin einmal mehr kritisch mit der katholischen Kirche auseinander. In einem großformatigen Gemälde sehen wir einen korpulenten Kardinal mit der äußeren Erscheinung eines Schafes demütig und trauernd vor dem Sarkophag des 2005 verstorbenen Papstes Johannes Paul II. knien. Die leichte Untersicht lässt den marmornen Prunksarg massiv und kolossal erscheinen. Sinnbildlich steht diese Monumentalität sicherlich für den Machtanspruch der katholischen Kirche generell und das gewaltige, unermesslich große Verbrechen des Missbrauchs, das auch während der 27-jährigen Regentschaft Johannes Paul II. hinter verschlossenen Kirchentüren gehalten wurde. 
Das Herzstück (...) markiert eine unmittelbar vor der Ausstellung fertig gestellte Skulptur. Deborah Sengl greift die Redewendung “Wolf im Schafspelz“ auf und zeigt eine den Boden abschleckende menschliche Figur in Papstkleidung mit dem schaffellbezogenen Kopf eines Wolfs. Papst Johannes Paul II hatte es sich zur Tradition gemacht, nach dem Ausstieg aus dem Flugzeug bei seiner Ankunft in den unterschiedlichen Ländern zum Zweck der Ehrerbietung deren Boden zu küssen. Dem publikums- und medienwirksamen Bodenküssen des Papstes als Herr über Millionen “Schäfchen“ scheint Deborah Sengl nicht über den Weg zu trauen. Die Künstlerin appelliert an unsere Wahrnehmung und Sensibilität im Umgang mit Autoritäten. Mit den Wölfen heulen war Deborah Sengl schon immer suspekt. (Quelle)



Hauptsächlich stoßen sich die Fundamentalisten aber auch an einem Bild mit einem gekreuzigten Huhn. Das Bild ist Teil der Serie "Via Dolorosa", die in St. Peter an der Sperr gezeigt wird.



Und das gefällt einigen katholischen Fundamentalisten gar nicht. Seit Tagen machen sie auf diversen Seiten im Internet Stimmung gegen die Künstlerin. Das hört sich dann so an:

die sogenannte moderne kunst ist grossteils sowieso eine verarsche. man kann heute eine kackwurst auf weissem leinen verschmieren und dazu eine passende philosophische intention dazuerfinden. irgendein kulturbolschewist des ministeriums wird diesen genialen gedenken frohlocken aufnehmen und sie subventionieren. natürlich sind nicht alle die das fabrizieren lobotomiewürdig denn wer klug ist und reibach will produziert auf nachfrage. wer es aber tatsächlich aus innerer überzeugung fabriziert braucht fürsorge.
Sehr geehrter Galahad: Danke für ihre Information über dieses frevlerische, satanische Machwerk, bin ja gespannt wie die Nuntiatur, Kirche Ö, Schönborn, Ludwig Schwarz reagieren werden. (informiert wurden sie zumindest, so das diese nicht wie ja üblich sagen können, sie wussten von nichts)
Gottes und Mariens Segen auf allen Wegen
wenn die lenker einer gesellschaft (nicht die politiker) nicht gott dienen sondern anhänger des teufels sind dann dient auch die geförderte kunstszene nicht der erbauung, dem schönen, dem hinführen zum zeitlosen, sondern vielmehr der zersetzung, der gotteslästerung, der entartung und der geistesvernichtung.
Es scheint, dass die Fundamentalisten sehr gut vernetzt sind, mittlerweile finden sich auch schon in Frankreich Artikel & Kommentare:
Cette personne est tout sauf une artiste et ceux qui vont voir cette exposition de grands malades. - Diese Person ist alles andere als ein Künstler, und alle, die diese Ausstellung sehen, sind ernsthaft krank.
Hinter dem L'observatoire de la Christianophobie steht die Piusbrüderschaft. Deren Weltbild ist schnell erklärt:

Antisemitismus:
"Unsere Feinde sind Juden, Kommunisten, Freimaurer" (Gründer der Piusbruderschaft, Lefebvre)
"Es unterliegt keinem Zweifel, dass jüdische Autoren an der Zersetzung der religiösen und sittlichen Werte in den zwei letzten Jahrhunderten einen beträchtlichen Anteil haben." (aus einer Schrift der deutschen Piusbrüder)

Leugnung des Holocaust
Richard Williamson, sowie Florian Abrahamowicz leugneten mehrmals den Holocaust mit Aussagen wie: „Ich weiß, dass die Gaskammern zur Desinfektion benutzt wurden. Ich weiß nicht, ob darin Menschen zu Tode gekommen sind.“. Williamson bezog sich außerdem auf den revisionistischen Leuchter-Bericht.

Ablehnung der Homosexualität
Mit Tafeln bei Christopher Street Day-Veranstaltungen bezeichnen sie AIDS als Gottes Strafe für Homosexualität. Außerdem sind sie Anhänger des Paragraphen 175.

Gegner der Gleichberechtigung von Mann und Frau:
Williamson: „Fast kein Mädchen sollte zu irgendeiner Universität gehen. […] Aber wo finden weiterführende Mädchenschulen dann ihrerseits weibliche Lehrkräfte, wenn kein Mädchen mehr ein Studium absolviert? Man braucht keine Universität, um das meiste von dem zu lernen, was Mädchen unterrichtet zu werden brauchen, zum Beispiel Hauswirtschaft, Einrichtung und Unterhalt eines Heims, Pflege und Erziehung der Kinder, die geistige und soziale Vorbereitung auf die Ehe.“

Einer der wohl bekanntesten Piusbrüder in Österreich ist der BZÖ-Europaabgeordnete Ewald Stadler.

Vorläufig letzter Schlag der Fundamentalisten: Sie schafften es, dass Sengls Facebook-Seite gesperrt wurde - angeblich wegen Pornografischen Inhalten. Stein des Anstoßes war dieses Bild:


(Kurze Anmerkung meinerseits: Wer jetzt immer noch meint, mit Netzsperren und Pornofilter kann kein Missbrauch getrieben werden, dem ist jetzt wohl nicht mehr zu helfen...)

Die ganze Aktion der Fundamentalisten gipfelte in einschlägigen Postings auf Sengls Facebook-Profil.

Weil Fundamentalismus nicht entscheiden darf, was Kunst ist und was nicht, weil die Zeiten, in denen die Kirche bestimmte, was erlaubt ist und was verboten, dankenswerterweise schon längst vorbei sind, gilt es, Deborah Sengl zu unterstützen.

Am 22. August wird ihre Ausstellung eröffnet, zu sehen ist sie von 23. August bis inklusive 29. September 2013; immer Montags bis Freitags von 10 - 18 Uhr in St. Peter an der Sperr.

Weitere Werke von Deborah Sengl finden sich auf ihrer Homepage sowie auf ihrem (mitterweile wieder freigegebenem) Facbook-Profil
Aus der Serie "Logo"

Kleine Anmerkung noch am Rande: Dass die Kirche St. Peter an der Sperr eben schon lange keine tatsächliche Kirche mehr ist, wollen Hardcore-Fundamentalisten ja nicht einsehen. Ich hab das selbst erfahren, als vor Jahren mal versucht wurde, mich anzuzeigen - weil ich ebendort ein Halloween-Fest veranstaltet hab - und einem heidnischen Kult in einem geweihten Sakralbau zu frönen, das geht ja nun wirklich nicht... ;)