Mittwoch, 31. Juli 2013

Das Rote Kreuz und die Blutspende

Das Rote Kreuz braucht dringend Blut. In einer dramatisch formulierten Pressemitteilung heißt es heute:
Die Lagerstände der Blutbanken sind dramatisch gesunken. Das Rote Kreuz benötigt derzeit dringend speziell rhesus-negative Blutgruppen, um lebenswichtige Konserven herzustellen. 
Unfälle und Erkrankungen machen keinen Urlaub. Auch in der Ferienzeit müssen täglich in den Spitälern Patienten behandelt und versorgt werden. Die Versorgung mit sicheren Blutprodukten ist aber gerade im Sommer eine Herausforderung. 
Die Rotkreuz-Blutspendedienste benötigen derzeit alle Blutgruppen, besonders dringend sind die rhesus-negativen Blutgruppen gefragt.
So weit, so gut. Schließlich ist die Versorgung mit Blutkonserven ja ein sehr begrüßenswerter Dienst an der Allgemeinheit. Leider hat die Sache einen Haken. Denn wer homosexuell ist und Blut spenden möchte, darf das nicht.


Screenshot von www.blut.at

Was also ist da dran?


Die Argumentation, die das Rote kreuz auf seiner Homepage liefert, ist Nonsens. Wenn man homosexuelle Männer von der Blutspende ausschließen möchte, weil sie ein signifikant höheres Infektionsrisiko für HIV haben, so müsste man zb auch alle Wiener von der Blutspende ausschließen - immerhin waren 2011 ein drittel aller Männer, die sich neu mit HIV infiziert hatten, aus Wien - wenn das nicht ein signifikant höheres Risiko darstellt, in Wien an HIV zu erkranken, dann weiß ich auch nicht mehr weiter. Nichts desto trotz bittet die RK-Blutspendezentrale:
Um den dramatisch gesunkenen Lagerstand wieder zu füllen, bitten wir speziell die Wienerinnen und Wiener um ihre Blutspende. Am einfachsten und bequemsten direkt in der klimatisierten Blutspendezentrale.
Aber die Argumentation des Roten Kreuzes lässt sich auch anders widerlegen. Die AGES gibt einen jährlichen Bericht über HIV in Österreich heraus, und der sagt ganz klar:
Unter den PatientInnen bei denen zw. 2001 und 2012 HIV diagnostiziert wurde (= 3754, davon 75,2% Männer und 24,8% Frauen), wurde das Virus zu 41,3% durch heterosexuelle Kontakte übertragen, zu 37,1% durch MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) und zu 14,8% durch intravenösen Drogenkonsum;
2011 waren der Statistik Austria nach Daten des Gesundheitsministeriums übrigens ganze 21 (!) Fälle von homosexueller HIV-Übertragung bei Männern bekannt.

Der Ausschluss von homosexuellen Männern bei der Blutspende hat also keinen wirklich wissenschaftlich fundierten Hintergrund, die Statistiken sprechen ganz deutlich eine andere Sprache. Das hat mittlerweile sogar die deutsche Bundesärztekammer erkannt, die sich für eine Änderung der Regelung einsetzt. In Italien und Spanien etwa findet kein automatisierter Ausschluss von Homosexuellen mehr statt.

Auch die Gleichsetzung von homosexuellem Geschlechtsverkehr mit einem Risikoverhalten stellt nicht anderes als eine homophobe Diskriminierung dar.

Es wird also Zeit, endlich auch homosexuelle Männer zur Blutspende zuzulassen!

Freitag, 26. Juli 2013

Rettungsdienst & Zivilgesellschaft

Werner Kerschbaum, Generalsekretär des Roten Kreuzes, schreibt heute in der Presse in einem Gastkommentar:
Warum sind Banken systemrelevanter als beispielsweise zivilgesellschaftliche Organisationen? Was ist mit den negativen Folgen für andere Gesellschaftsteilnehmer, wenn sie – mangels geeigneter Rahmenbedingungen und Förderungen – scheitern?
und weiters
Nehmen wir, nur als Gedankenexperiment, einmal an, das zivilgesellschaftliche System scheiterte. Da es aber nicht als systemrelevant gilt, käme es zu keinem Bail-out: Die Rettung käme nicht mehr, dasselbe gälte für die Feuerwehr, für Essen auf Rädern, Heimhilfe und Besuchsdienste. Niemand organisierte mehr Blutspendeaktionen. Die Versorgung der Spitäler mit Blutkonserven rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr bräche zusammen.
Noble Thesen, die Kerschbaumer da verbreitet. Zivilgesellschaft (für die es keine eindeutige Definition gibt) soll systemrelevant werden. Das ist, ohne Frage, eine durchaus interessantes Anliegen. Allerdings lässt sich das nicht eins zu eins auf den Rettungsdienst umlegen.

Ob es Kerschbaumer recht wäre, dass sich Menschen, die ein paar Stunden Ausbildung haben, am Wochenende oder in der Nacht als Bankvorstände betätigen würden und sein Konto managen? Oder noch krasser: Käme jemand auf die Idee, sich in seiner Freizeit eine Uniform mit Waffe anzuziehen und Polizist zu sein (die Spinner der Bürgerwehren jetzt mal ausgenommen).

Beim Rettungsdienst passiert aber genau das. Nahezu jedeR kann mitmachen - 160 Stunden Ausbildung, und schon gehts als Sanitäter zu jeder Art von Notfällen - massive Polytraumen und Reanimationen miteingeschlossen - wo man ohne Erfahrung, und fundierte Ausbildung eigenverantwortlich handeln muss - auch wenn das Gesetz das eigentlich gar nicht so vorsieht. (Wie das Rote Kreuz sich Rettungsdienstgesetzt bastelt und sie dann trotzdem nicht einhält, habe ich bereits hier beschrieben).

Das eigentliche Problem ist aber die vehemente Resistenz gegen neue Erkenntnisse der Notfallmedizin, die das Rote Kreuz nicht umsetzt. Bereits jetzt ist Österreich eines der rückständigsten Länder, was Rettungsdienst betrifft - man möge mal einen Blick in die Slowakei oder nach Tschechien werfen.

Ein aktuelles Beispiel:
Dass der Larynxtubus in seiner Anwendung unkompliziert ist, zeigen Studien. Dort kam es bei 97% aller Fällen zu einer komplikationslosen Intubation. Die Beutel-Maske-Beatmung, Standard beim Roten Kreuz, zeigt hingegen große Probleme: Die Handhabung des Beutels sowie die korrekte Durchführung der Beatmung ist selbst für geübte nicht immer möglich, geschweige denn für Sanitäter, die keinerlei Erfahrung haben.

Und was macht das Rote Kreuz? In Niederösterreich darf der Larynxtubus heute immer noch nicht verwendet werden - und das trotz Bescheid des Gesundheitsministeriums, dass der Larynxtubus der Beutel-Maske-Beatmung gleichzusetzen ist. Aber was erwartet man sich von einem Rettungdienst, der erst 2007 (!) die Blutzuckermessung für Sanitäter erlaubt hat?

Warum? Ganz einfach: Es ist schwer, freiwilligen Sanitätern Schulungen aufzuzwingen. Bereits jetzt ist die 16-stündige Fortbildungspflicht in 24 Monaten für einige zu viel Aufwand. Die Mindestdienstverpflichtung von 2 Diensten/Monat (ebenfalls rund 16 Stunden) rundet das Sittenbild ab. Geringe Ausbildung, geringe Erfahrung, nahezu keine Fortbildung. Und von diesen Sanitätern soll man erwarten, dass sie Larynxtuben setzen? 

Professioneller Rettungsdienst braucht professionelles Personal, kein freiwilliges, zivilgesellschaftliches Engagement. Was Kerschbaumer eigentlich will, ist mehr Geld für den Rettungsdienst - in der Steiermark ist dieser Streit unlängst eskaliert. Diese berechtigte Forderung aber mit einem Zivilgesellschaftlichen Engagement zu argumentieren, das den Rettungsdienst in Österreich auf Jahrzehnte hinaus gelähmt hat und es auch weiterhin tun wird, ist eine Chupze sondergleiche.